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09.10.: GROßSTADT IN FILM UND LITERATUR
 

Das Motiv Großstadt in Film und Literatur der letzten beiden Jahrhundertwenden

Die Fachberater Deutsch und Medienkunde für die Gymnasien im SSA Jena und der Film e.V. bieten gemeinsam eine ungewöhnliche Fortbildungsreihe an.

Das Motiv Großstadt spielte v.a. um 1900 bis hinein in den Expressionismus eine prominente Rolle, die entsprechenden Texte etwa von Georg Heym, Döblin, Rilke u.a. sind Klassiker geworden.
Auch im damals neuen Medium Film – mit dem die Regisseure intensiv experimentierten (und sich dabei oft genug an literarischen Strömungen orientierten) – rückte das Thema Großstadt bald in den Brennpunkt. Filme wie Fritz Langs „Metropolis“ oder Charlie Chaplins „Modern Times“ haben Filmgeschichte geschrieben.
Ein Film inbesondere - „Berlin. Symphonie einer Großstadt“ von Walter Ruttmann (1927) – zeigt engste Verwandtschaft mit der literarischen Behandlung des Themas etwa bei Rilke oder Döblin.
Im Querschnitt soll der Tagesablauf der Großstadt gezeigt werden. Nach der Einfahrt mit der Bahn in die Stadt zunächst das schlafende Berlin, das Aufstehen, der Arbeitsbeginn. Nach dem Mittagessen und der Mittagsruhe der Großstadtverkehr und eine neue Lebendigkeit am Nachmittag, die sich bis hin zur "Großstadt-Neurasthenie" steigert. Schließlich der Feierabend, die Freizeitgestaltung, das Nachtleben.


 
 

Dabei versucht Ruttmann, die seiner Generation eigene Großstadterfahrung mit spezifisch filmischen Mitteln adäquat auszudrücken. Zu diesem Zweck hat er die Filmaufnahmen als Ausgangspunkt für eine Montage genommen, deren Rhythmus hypnotisiert, dem Zuschauer ein Geschwindigkeitserlebnis vermittelt und die einen neuen Sinn erzeugt, der über die Gegenständlichkeit der Filmaufnahmen hinausgeht.
"Während der langen Jahre meiner Bewegungsgestaltung aus abstrakten Mitteln ließ mich die Sehnsucht nicht los, aus lebendigem Material zu bauen, aus den milionenfachen, tatsächlich vorhandenen Bewegungsenergien des Großstadtorganismus eine Film-Sinfonie zu schaffen", schreibt Ruttmann.


 
 

Für die Unterrichtsbehandlung bietet sich der Film nicht nur wegen der engen Verbindung zur Literatur an, sondern auch wegen der hervorragenden Möglichkeit, an diesem Beispiel filmische Gestaltungsmittel zu besprechen: wenige Filme sind so detailliert analysiert worden wie dieser.


 
 

Unsere Fortbildung geht jedoch einen Schritt weiter: Im Jahre 2002 bringt der junge Regisseur Thomas Schadt wieder einen Film “Berlin. Sinfonie einer Großstadt“ heraus.

Der neue Film verleugnet sein Vorbild nicht. Wie 1927 handelt es sich um ein Gesamtkunstwerk aus Bild und Ton, um einen Stummfilm, in Schwarzweiß gedreht; Rahmen der Handlung ist ein sommerlicher Tag in der Metropole Berlin.

Und doch, sagt Regisseur Thomas Schadt, handelt es sich um eine Neuinterpretation, nicht um ein Remake: "Von der ersten Sekunde wird klar sein: Stadt ist nicht die Stadt vor 75 Jahren. Und Berlin ist schon gar nicht das Berlin vor 75 Jahren."

Die Spuren der Geschichte haben sich tief in das Gesicht der Stadt eingegraben, sie sind wichtige Bausteine der neu entstandenen Sinfonie. Einen Berlin-Film, der nur an der Gegenwart interessiert ist, kann man heute nicht mehr machen.


 
 

Auch die Art, Filme zu machen, ist nicht mehr dieselbe. Was in den 20er Jahren Avantgarde war - schnelle Schnitte, mit Musik unterlegte Dokumentarbilder - ist heute filmische Massenware.

Thomas Schadt hat die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen: Lange Einstellungen, langsame Schnitte. Eine auf die Grundlagen reduzierte Filmästhetik, Verzicht auf Effekte, keine Videoästhetik, kein Schnickschnack.

Allerdings: Auch die neue "Sinfonie" will wieder von der Atmosphäre einer Großstadt erzählen. Welche andere deutsche Stadt wäre dafür geeignet?
Thomas Schadt, selber seit 20 Jahren Berliner, sagt: "Mein Motiv ist die 'Stadt' und die einzige Stadt, in der man dieses Motiv mit all seinen Facetten finden kann, ist Berlin."


 
 

100 Tage sind Regisseur Thomas Schadt und sein Assistent Thomas Keller mit ihrer Materialkarre - auf den beziehungsreichen Namen "Walter" getauft - durch die Stadt gezogen und haben Material mitgebracht. Währenddessen arbeiteten die Komponisten an ihrem Werk, die Ergebnisse wurden ständig ausgetauscht und diskutiert.

So ist der neue Film, 75 Minuten lang, ein gemeinsames Werk geworden von Thomas Schadt, dem Komponistenduo Iris ter Schiphorst und Helmut Oehring, aber auch Walter Ruttmann: Man kann, meint Schadt, einen solchen Film nicht gegen Ruttmann machen, nur mit ihm.

So war der Regisseur der ersten "Sinfonie" auch während der Arbeit am neuen Film stets präsent - nicht zuletzt als Namensgeber für die Sackkarre "Walter", mit der Schadt und Keller ihr schweres Gerät durch die Stadt transportierten, immer auf der Suche nach der richtigen Einstellung, dem gelungenen Bild.

Zur Fortbildungsreihe selbst:

Am 09. Oktober, 15.00 wird Frau Lemke, FB Deutsch, im Angergymnasium das Großstadtmotiv in der Literatur um 1900 und um 2000 und diesbezügliche Unterrichtsanregungen behandeln.

Am 16. Oktober wird im Schillerhof der filmische Teil der Fortbildung stattfinden: 15 Uhr werden wir Ruttmanns Berlin-Film von 1927 sehen (ca 60 min). Danach wird Thomas Schadt, Regisseur des Berlin-Films von 2002, ein Filmgespräch zu beiden Filmen anbieten. 17.30 Uhr sehen wir dann seine „Sinfonie“.

Wir denken, dass diese außergewöhnliche Fortbildung Ihre rege Teilnahme verdient. Wir bitten Sie um eine kurze Rückmeldung, ob und in welcher Anzahl Kollegen Ihrer Schule an der Fortbildung teilnehmen werden. Die Rückmeldung kann telefonisch an Frau Lemke bzw Herrn Klemm (beide Gymnasium Am Anger, 489090) oder per Email (klemmu@jena.de) erfolgen.

Sollten Sie sich vorab über die Filme informieren wollen, können folgende Internetquellen empfohlen werden:

www.sinfonie-einer-grossstadt.de
http://www.deutsches-filminstitut.de/dt2tp0051.htm



Mit freundlichem Gruß,





Katrin Lemke
FB Deutsch

Uwe Klemm
FB Medienpädagogik

Heike Melcher-Heller
Film e.V.


 

Literaturtipp

Thomas Schadts Buch zum Film Sehr schöner und informativer Fotoband zu beiden "Sinfonien"




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